Tauben im Park
Anneliese Useldinger
Da liegt doch was, da liegt doch was, schnell renn ich hin.
Dass du das kriegst, allein für dich, das macht doch keinen Sinn.
Die dritte kommt mit Flügelschlag, voll Zorn den anderen sagt:
„Weh der, die meint, das wär‘ für sie, weh der, die solches wagt.“
Die vierte fliegt ganz rasch heran und schimpft die andern aus:
„Den größten Hunger den ich hab‘ ich, drum schmeiß‘ ich alle raus!“
Zwei and’re trippeln schnell herbei und streiten heftig mit,
um was denn nun, so klitzeklein, vielleicht ein Stück Bomfritt?
Das Taubenvolk dreht sich und pickt und gibt gar keine Ruh‘!
Vergnügt sitz‘ ich und schau gespannt dem bösen Spiele zu.
Wer nun gesiegt, das Stück verschluckt, das kann ich gar nicht sehn.
Auf einmal dann, weil nichts mehr lockt, die Tauben alle gehn.
Das Spiel ist aus, doch anderswo wird es schon bald beginnen.
So sind sie mal, die Stärkste hat mit Gier das Stück genommen.
Ein kleines Spiel, so denk‘ ich mir, geht um das eig’ne Wohl.
Die Menschen tun es noch viel mehr mit List und Tücke voll.
So geht es auf der ganzen Welt bis zum Jüngsten Tage.
Der Richter kommt, kein einz’ger flieht, der richtet nun die Waage.
Der Habgier Frucht, unzählbar viel, senkt tief hinab die Schale.
Das Weh und Ach, es kommt zu spät, da droht die Höhlenquale.
Doch keiner will im Hier und Jetzt davon ein Wort nur wissen,
die alte Lehr‘ ist stumm und fahl, wer sollte sie vermissen?
So geht es weiter Tag und Nacht, ’s wird überall gestritten,
es ist ganz gleich, um was es geht, vorbei die guten Sitten!
Das Tier, es nimmt nur, was es braucht, den Hunger rasch zu stillen.
Der Mensch jedoch hört niemals auf, die Taschen neu zu füllen.
(c) Anneliese Useldinger / Bonn
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