Zehnter Dezember

So, meine lieben,
und hier kommt noch vorproduziert das Türchen für den zweiten Advent. Ob ihr eure Neugierde bezwint und auf den zehnten Dezember wartet, oder ob ihr gleich alle vorproduzierten Türchen öffnet, liegt bei euch. Aus meiner Kindheit kann ich sagen, dass ich es mit den Schokoladen-Adventskalendern meistens nicht ausgehalten habe. Meist sorgte ein Anfall auf Schokolade dafür, dass er vor der Zeit geplündert wurde. Wie auch immer. Kommen wir zur heutigen Geschichte.

Leo und der fliegende Nikolaus

von Monika Lorenz

(eine wahre Geschichte)

Der Kachelofen im Thermik-Stüble bullerte und strahlte wohlige Wärme aus. Dem am Morgen frischgeschlagene Tannenbaum tropfte der schmelzende Raureif von den Zweigen. Die Tische waren schön adventlich geschmückt. Nun konnten die großen und kleinen Gäste zur Nikolausfeier kommen.
Die Eingangstür öffnete sich und mit einem Schwall kalter Luft kamen die ersten Gäste herein. Ganz erwartungsvoll liefen die kleineren Kinder mit ihren Eltern und Großeltern auf die Tische zu. Manch eines mit ein wenig ängstlichen Augen. Der Nikolaus, wie wird er wohl sein? Wird er streng sein und die nicht so artigen Kinder strafen? Oder wird er freundlich und humorvoll die Kinder mit Geschenken erfreuen?
Jedenfalls waren alle sehr gespannt und erwartungsvoll.
Nur am Tisch neben dem Kachelofen, wo die „Halbstarken“, keine Kinder mehr aber auch noch keine Jugendliche, saßen, war keiner erwartungsvoll, sondern es wurde gegiggelt und gespöttelt: „Nikolaus, den gibt es doch gar nicht“, sagte großspurig Leo, „das ist doch immer der Heinz, das weiß ich ganz genau“. „Lasst die Kleinen nur dran glauben, wir wissen es doch besser“. Er fühlte sich groß und wichtig mit seiner Aussage. Einige der etwas Jüngeren sahen ihn ein wenig zweifelnd an. Doch sie ließen sich nichts anmerken, das wäre ja total „uncool“ und so wollten sie auf gar keinen Fall sein.
Also lästerten sie weiter über die Kleinen, die sich so auf den Nikolaus freuten.
Nach einer Weile, alle Plätzchen waren fast aufgegessen und der Kakao und die Cola fast ausgetrunken, meldete sich auf einmal das Funkgerät, das in der Mitte des Thermik-Stübels stand, mit einem Knacken.
Sofort wurde es stiller im Raum, die Gespräche wurden leiser und die Kinder schauten mit großen Augen zum Tisch in der Mitte. Manch eines der Kleineren rutschte schnell auf den Schoss seiner Mama oder des Vaters. Es war ihm doch nicht geheuer, was nun kommen sollte.
Dann war wieder ein Knacken und ein feines Rauschen zu hören und, ganz im Hintergrund, ein leises Brummen wie von einem Motor. Langsam wurde es lauter und lauter.
Da, eine tiefe Stimme kam aus dem Funkgerät:
„Deckenpfronn Flugplatz? Hier Heaven Air Flug 512
erbitte Landeerlaubnis.“
Der Nikolaus war im Anflug!!
Ganz aufgeregt riefen die Kinder durcheinander, eines weinte sogar. Doch die meisten freuten sich und riefen nach dem Nikolaus.
Nur die „Halbstarken“ am Tisch von Leo konnten mit ihrem Spötteln nicht aufhören. „Die Kleinen werden sich schon wundern, es gibt doch gar keinen Nikolaus, das wird wieder der Heinz sein“. Leo war sich seiner Sache ganz sicher und steckte mit seiner großspurigen Art auch die anderen „Halbstarken“ an.
Nun meldete sich der Tower Deckenpfronn und gab dem anfliegenden Nikolaus die Erlaubnis auf Landebahn 2 7 zu landen.
Es würden nur noch wenige Minuten bis zur Landung des Nikolauses sein. Kam er eigentlich mit einem Rentierschlitten oder mit einer modernen Cessna angeflogen?
Wer weiß? Und hinausgehen war streng verboten. Den Anflug des Nikolauses durfte niemand sehen.
Also, saßen die Kinder sehr gespannt auf ihren Plätzen und warteten darauf, was jetzt wohl bald kommen würde.
Nach einer Weile öffnete sich langsam die Eingangstür und hereinkam, umweht von eiskalter Luft, eine Gestalt mit rotem Mantel, roter Mütze und weißem Bart. Sie zog einen Holzschlitten hinter sich her auf dem viele schön eingepackte, mit großen Schleifen verzierte Geschenke lagen. Etwas Schnee lag auf seinen Schultern, denn draußen schneite es schon den ganzen Tag. Nun war er wirklich da, der Nikolaus !!
Der Nikolaus begrüßte alle Gäste freundlich und fragte: „Sind hier auch Kinder? Artige Kinder?“ Die Kinder riefen alle „Ja, lieber Nikolaus“. Er runzelte seine Stirn: „Oder auch unartige Kinder?“ Da blieben die Kinder still. Doch der Nikolaus schmunzelte und war wieder ganz freundlich.
Ein kleines Mädchen hatte extra ein Gedicht auswendig gelernt, machte vor dem Nikolaus einen tiefen Knicks und sagte mit leiser Stimme sein Gedicht auf. Dem Nikolaus gefiel es sehr und so bekam das kleine Mädchen ein mit einer großen Schleife verziertes Geschenk von seinem Schlitten.
Die Jungen am Tisch beim Kachelofen schauten dem Treiben mit grinsenden Gesichtern zu. Sie wussten ja wer unter dem Mantel steckte. Auf gar keinen Fall der Nikolaus, den gab es nämlich gar nicht, das war der Heinz Wagner. Das wussten sie ganz bestimmt.
Nun ging wieder die Eingangstüre auf und wieder kam ein Mann herein, in Jeans und dickem Pullover, etwas grauen Haaren und …..
das konnte doch gar nicht sein !!!
Er sah aus wie der Heinz, der Heinz Wagner. Aber, der war doch der Nikolaus. Ungläubig schauten die Jungs zu dem Mann. Besonders Leo starrte gebannt hin, er konnte es nicht glauben. Er schaute zu dem Mann der Heinz Wagner war und er schaute zu dem anderen Mann, dem Nikolaus. Er schaute hin und her und konnte einfach nicht fassen, was er da sah. Wie war das möglich, was ging hier vor? Er war sich doch so sicher gewesen. Oder konnte es doch sein? Gab es vielleicht doch einen richtigen Nikolaus? Ganz kleinlaut saß er vor seiner Cola und zweifelte immer noch an den beiden Gestalten, die da vorne bei den kleinen Kindern standen. Sagen konnte er gar nichts mehr und das Giggeln und Spötteln war ihm vergangen. Der Zweifel stand ihm groß ins Gesicht geschrieben.

Wer war denn nun wirklich der Nikolaus ?

Geschenktipp

Zwei Bücher hat unser Arbeitskreis gemeinsam verfasst. diese sollten unter keinem Weihnachtsbaum fehlen.

  1. Abenteuerliche Anekdoten blind erlebt ist der Titel unserer neuen Anthologie, die im Oktober 2023 im Edition Paashaas Verlag als Taschenbuch und iBook auf dem Buchmarkt erschienen ist.
  2. Farbenfrohe Dunkelheit
    ist der Titel unserer mittlerweile zwei mal preisgekrönten ersten BLAutor-Anthologie, die 2022 im Edition Paashaas Verlag als Taschenbuch und iBook erschienen ist und als Hörbuch produziert wurde und bei den Hörbüchereien für blinde Menschen ausgeliehen werden kann.

Auch auf diesem Weg bietet BLAutor seinen Mitgliedern die Möglichkeit, ein eigenes Werk auf dem Buchmarkt zu präsentieren.
Mit dem Kauf dieser beiden Anekdoten unterstützen sie die Arbeit unseres Arbeitskreises.
Und nun kommt noch ein Hinweis auf einen Adventskalender der besonderen Art:

Der Blindnerd-Adventskalender

Unser blindes Mitglied Gerhard ist blinder Hobbyastronom und das einzige blinde Mitglied der Deutschen Astronomischen Gesellschaft. Seit sieben Jahren führt er den Blog Blindnerd.de. In diesem Jahr widmet sich sein Adventskalender Frauen aus wissenschaft und Astronomie, denn Frauen sind in diesen Arbeitsfeldern bis heute unterrepräsentiert.
Der Blautor-Adventskalender und der Blindnerd-Adventskalender sind überkreuz verlinkt, so dass man von jedem aus zu den jeweiligen Türchen des anderen springen kann.
Mit
diesem Link gelangen Sie und ihr auf diesen etwas außergewöhnlichen Weihnachtskalender.