Dritter Dezember

Türchen drei, 2024

Leas Weihnachtsfest

von Brigitte Kemptner

Zehn Tage vor Weihnachten machte Lea mit ihrer besten Freundin Marie eine irrsinnige Wettfahrt mit dem Rad. Und das auch noch auf regennasser Straße. Das zwölfjährige Mädchen war doch sonst eher besonnen und neigte in der Regel nicht zum Leichtsinn. In einer Kurve passierte es auch schon. Lea sah die Frau mit dem Kinderwagen über die Straße gehen und stürzte beim Ausweichen so unglücklich, dass sie sogar mit dem Krankenwagen in die Kinderklinik gebracht werden musste.

Lea hatte die Operation an ihrem Bein gut überstanden. Matt und von der Narkose noch etwas benommen, lag sie in ihren Kissen und sah der Mutter entgegen, die gerade ins Zimmer kam.
„Mami, ich möchte nach Hause“, war die Begrüßung.
Die Mutter setzte sich zu ihrer Tochter ans Bett und sagte mitfühlend: „Meine arme Kleine. Ich habe vielleicht einen Schrecken bekommen, als Marie kam und mir von deinem Unfall erzählte. Ich bin ja so froh, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist. Der Arzt meinte allerdings, dass du nach diesem recht komplizierten Beinbruch für mindestens zwei Wochen hierbleiben musst.“
„Dazu habe ich aber keine Lust“, trotzte Lea.
Sie fühlte sich hundeelend und hätte am liebsten losgeheult. Noch niemals war sie Weihnachten von zu Hause fort gewesen. „Ich will aber heim und außerdem muss ich in die Schule zur Probe.“
Lea dachte an das Weihnachtsspiel, bei dem sie in diesem Jahr mitwirken sollte. Das konnte sie jetzt abschreiben.

Die Mutter tröstete sie noch ein wenig und versprach, mit Papa täglich zu kommen. Aber Leas Traurigkeit blieb, daran konnte auch der Besuch ihrer Eltern, ihrer Klassenkameraden und ihrer besten Freundin Marie kaum etwas ändern.
„Wer hat eigentlich meine Rolle beim Krippenspiel übernommen?“, fragte Lea zaghaft, als sie mit Marie allein war. Der Gedanke daran, nicht mitmachen zu können, schmerzte nach wie vor.
„Jasmin hat deine Mariarolle übernommen“, antwortete die Freundin. „Sie macht es ganz gut, wenn auch nicht so wie du. Nun sei doch bitte nicht mehr so traurig. Die Zeit hier geht bestimmt bald vorbei.“
Leas Schultern zucken heftig und später, als Marie fort war, zog sie die Decke übers Gesicht und weinte. Wie gut, dass das zweite Bett im Zimmer nicht belegt war.

Die Tage vergingen für Lea in der Klinik viel zu langsam. Eines Morgens wachte sie auf und stellte beim Blick zum Fenster fest, dass es schneite. „Auch das noch“, dachte das Mädchen. „Nicht einmal Rodeln gehen kann ich jetzt.“
Die Flocken wirbelten den ganzen Tag vom grauen Himmel herunter und als es am Spätnachmittag dunkel wurde, schaltete die Schwester, wie an den vorangegangenen Tagen auch, die LED-Kerzen am Adventkranz an. „Nicht einmal echte Kerzen gab es hier“, dachte Lea, die es gerne mochte, wenn ihr Vater zu Hause einige Tannenzweige über der Flamme glimmen ließ.

Übermorgen war Heiligabend und die Ferien hatten bereits gestern begonnen. Das Krippenspiel wurde am letzten Schultag vor Lehrern, Eltern und Schülern aufgeführt. Das war schon seit Jahren eine beliebte Tradition an ihrer Schule. Lea sah in Gedanken die große Aula vor sich, festlich geschmückt. Die Stühle für die Zuschauer bis auf den letzten Platz besetzt, und vorne auf der Bühne die Vorführung. Ohne sie! Zum Glück kamen in diesem Moment die Eltern zu Besuch und brachten für das Mädchen etwas Ablenkung mit.

Der Heiligabend begann für Lea genauso wie die Tage zuvor. Frühstück, Visite, Mittagessen und dazwischen fernsehen, lesen und Löcher in die Decke starren. Am Nachmittag wurde es still auf der Station und Lea wartete auf ihre Eltern. Dann endlich Schritte auf dem Flur, doch als sich die Tür öffnete, kam kein Besuch herein, sondern die Schwester mit einem Rollstuhl.
„So, junge Dame. Wir haben in der Cafeteria eine kleine Feier vorbereitet.“ Sie half Lea in den Rollstuhl und dann gings los.
In der Cafeteria hatten sich bereits alle Kinder, die über Weihnachten in der Klinik bleiben mussten, mit ihren Eltern eingefunden. Auch Leas Papa und Mama saßen schon dort. In einer Ecke stand ein wunderschön geschmückter Christbaum und auf den Tischen brannten diesmal sogar richtige Kerzen. Es gab Kuchen, Gebäck, Kaffee für die Erwachsenen und Kakao für die Kinder. Ein Teil des Raumes war durch einen großen Wandschirm abgeteilt und dahinter hörte man es tuscheln und hantieren.

Leas Rollstuhl wurde zum Tisch ihrer Eltern gefahren und dann ertönte ein Glöckchen, ganz wie daheim, dachte Lea.
„Liebe Kinder, liebe Eltern“, sagte der Oberarzt, der nun keinen weißen Kittel mehr trug. „Wir machen in jedem Jahr eine kleine Feier für die Kinder, die Weihnachten leider nicht zu Hause sein können. Heute allerdings haben wir uns – auf Wunsch der Eltern einer Patientin – für euch etwas ganz Besonderes ausgedacht. Aber lasst euch erst einmal den Kuchen, die Plätzchen und den Kakao schmecken.“

Kaum waren Teller und Tassen geleert, als wiederum das Glöckchen erklang und eine junge Frau vor den Wandschirm trat. Lea riss Mund und Augen auf, als sie ihre Lehrerin erkannte, mit der sie das Krippenspiel einstudiert hatten.
„Liebe Lea, deine Familie, Klassenkameraden und ich wissen, wie gerne du bei unserem Spiel mitgemacht hättest. Und weil du bei der Weihnachtsfeier in der Schule auch nicht dabei sein konntest, haben wir, deine Eltern und ich, uns von den Ärzten hier die Erlaubnis geholt, unser Krippenspiel im Krankenhaus noch einmal aufzuführen. Dazu lade ich dich und auch alle anderen Kinder mit ihren Eltern ganz herzlich ein und wünsche euch viel Freude dabei“, sagte die Lehrerin und gab das Zeichen, den Wandschirm fortzuräumen.
„Mama, das ist eine wunderschöne Überraschung!“, rief Lea voller Freude etwas zu laut, denn alle Kinder schauten nun zu ihr her. Am liebsten wäre sie sofort aufgestanden und zu ihren Schulkameraden geeilt.
„Ich habe gewusst, mein Schatz, dass du dich freust.“
Liebevoll legte die Mutter ihren Arm um Leas Schulter. Dann wurde es ganz still in der Cafeteria und das Spiel begann. Kein Mucks war zu hören, nicht einmal von den kleineren Kindern, denen es sicher schwer fiel, still zu sitzen und den Mund zu halten.
Und Lea? Die war rundherum glücklich, sah man von der Tatsache ab, dass sie wohl noch einige Tage in der Klinik bleiben musste. Das Mädchen strahlte mit dem Weihnachtsbaum um die Wette und als die Vorführung zu Ende war, klatschte sie am lautesten Beifall.

Nach dem Krippenspiel fand eine kleine Bescherung statt. Jedes Kind bekam eine Kleinigkeit von den Schwestern und Ärzten gemeinsam und natürlich von ihren Eltern. Später lag Lea wieder auf ihrem Zimmer, umringt von ihren Schulkameraden und Freundin Marie. Es wurde noch ein wenig erzählt und dann war es Zeit, Abschied zu nehmen.

Als auch die Eltern fort waren und die Schwestern noch einmal nach dem Rechten geschaut hatten, lag Lea in der Dunkelheit des Krankenzimmers und dachte an den schönen Nachmittag, der ihr das Weihnachtsfest in der Klinik wenigstens teilweise versüßt hatte.

© Brigitte Kemptner

Der Blindnerd-Adventskalender

Unser blindes Mitglied Gerhard ist blinder Hobbyastronom und das einzige blinde Mitglied der Deutschen Astronomischen Gesellschaft. Seit sieben Jahren führt er den Blog Blindnerd.de. In diesem Jahr widmet sich sein Adventskalender ganz den Wundern des Kosmos.
Der Blautor-Adventskalender und der Blindnerd-Adventskalender sind überkreuz verlinkt, so dass man von jedem aus zu den jeweiligen Türchen des anderen springen kann.
Mit
diesem Link gelangen Sie und ihr auf diesen etwas außergewöhnlichen Weihnachtskalender.

Geschenkideen von BLAutor

Drei Anthologien hat unser Arbeitskreis bis jetzt gemeinsam verfasst, und an zwei weiteren haben mehrere unserer Mitglieder mitgewirkt. diese sollten in keinem Bücherregal fehlen.

  1. Blind Verliebt
    ist die neueste im September 2024 erschienene Anthologie des Schreibzirkels BLAutor.
    31 AutorInnen mit Sehbeeinträchtigung beleuchten das Thema auf ganz unterschiedliche Weise. Lassen Sie sich in eine Welt der besonderen Art entführen.
  2. Abenteuerliche Anekdoten blind erlebt
    ist der Titel unserer zweiten Anthologie, die im Oktober 2023 im Edition Paashaas Verlag als Taschenbuch und iBook auf dem Buchmarkt erschienen ist.
    Dank einer Buch-Patenschaft, die eines unserer Mitglieder übernommen hat, ist auch diese Anthologie mittlerweile aufgelesen worden und somit in den Hörbüchereien für blinde Menschen ausleihbar.

  3. Farbenfrohe Dunkelheit
    ist der Titel unserer mittlerweile zwei mal preisgekrönten ersten BLAutor-Anthologie, die 2022 im Edition Paashaas Verlag als Taschenbuch und iBook erschienen ist und als Hörbuch produziert wurde und bei den Hörbüchereien für blinde Menschen ausgeliehen werden kann.
  4. Anthologie Weihnachtszauber, 39 einfach schöne Weihnachtsgeschichten
    Es muss ja nicht gleich ein komplett eigenes Buch sein. In einer Anthologie finden sich stets mehrere Autor:innen mit ihren Geschichten zu einem Thema zusammen, um dann gemeinsam ein Buch zu füllen.
    Der Pashaas-Verlag rief zur Teilnahme an dieser Weihnachts-Anthologie auf. Fünf unserer Mitglieder schafften es, ihre Geschichten dort zu veröffentlichen.
  5. Weihnachtsmodus an, mit Autor:innen des Arbeitskreises und anderen
    Und hier ist die fünfte Anthologie, die der Pashaas-Verlag mit 20 Autor:innen, fünf aus unserem Arbeitskreis, herausgegeben hat.
    Es ist eine Weihnachtsanthologie der besonderen Art.

Nähere Informationen über die jeweils mitwirkenden Author:innen erfahren Sie unter
Vitae und Werke.


03.12.24, Ein Wunsch frei – Das Weihnachtsmausmärchen

Es kribbelte und krabbelte, es krabbelte und kribbelte. Eine große Formation von Weihnachtsmäusen lief über den Waldweg hin zum Leuchtturm. Alle waren rot weiß gestreift, die einen hatten eine rote Schleife, die anderen eine weiße. Es sah so hübsch aus. Es waren bestimmt 300, oder gar 400? Ein wahrlich schönes Bild.
Am Leuchtturm angekommen begann der Aufstieg nach oben. Wieder ein schöner Anblick. Oben auf der Plattform angekommen musste erst einmal eine Aufstellung bezogen werden. Dann sagte die Weihnachtsmaus aus der vordersten Reihe, die auch Mäusekönig war:
„Ich bin die schönste Maus. Seht mich! Es kommt keiner an mich ran. Wer mich mag, meldet sich bitte! Nur dann kann es weitergehen mit unserem Mäuse Stamm.“
Und dann meldeten sich viele Mäusedamen.
Die erste sagte: „Ich bin am schnellsten von allen Damen hier hoch gelaufen. Nimm mich doch bitte.“
Die nächste: „Und ich, ich habe das schönste Fell, da kommt niemand heran“.
„Und ich kann die meisten Mäusekinder zeugen, ganz bestimmt“.
Und so stellten sich viele Mäusedamen einzeln vor. Einige konnten singen, andere stricken, gut Futter suchen, in Häuser eindringen, und vieles, vieles mehr. Ein wahres Eldorado für   den Mäusekönig.  Aber es waren auch weniger schöne Mäuse dabei. Einige mit Knautschgesicht, andere  humpelten oder hatten dreieckige Ohren.
Wieder andere hatten Stelzen als Beine oder einen Besen als Schwanz.
Was also nun tun? Wie fand der Mäusekönig nur die beste Gefährtin?
Er dachte sich eine Frage aus. Nur Könige haben einen Wunsch frei, dachte er sich.
Was ist das Wichtigste im Leben einer Maus?
Es prasselten die Antworten: Geld, Essen, Schlafen, Kinder kriegen, spielen, toben, tanzen, die Menschen ärgern, Wände hochklettern, und vieles mehr.
Nur eine Mäusedame, klein und unscheinbar, sagte: die Liebe, Gesundheit  und die Hoffnung.
Ganz schnell lief der König zu der Dame, umarmte si, und sie küssten sich. Und dann wurde ganz schnell eine Mäusehochzeit gefeiert. Und das mitten auf einem Leuchtturm.
Und wass sagt uns das nun? Ein wahrer Wunsch frei: Nicht nach Geld, und Materiellen, sondern nur nach Liebe, Gesundheit  und der Hoffnung!
Diesen wichtigsten Wunsch im Leben hat ja wohl jeder frei!!!

Geschenktipp

Zwei Bücher hat unser Arbeitskreis gemeinsam verfasst. diese sollten unter keinem Weihnachtsbaum fehlen.

  1. Abenteuerliche Anekdoten blind erlebt ist der Titel unserer neuen Anthologie, die im Oktober 2023 im Edition Paashaas Verlag als Taschenbuch und iBook auf dem Buchmarkt erschienen ist.
  2. Farbenfrohe Dunkelheit
    ist der Titel unserer mittlerweile zwei mal preisgekrönten ersten BLAutor-Anthologie, die 2022 im Edition Paashaas Verlag als Taschenbuch und iBook erschienen ist und als Hörbuch produziert wurde und bei den Hörbüchereien für blinde Menschen ausgeliehen werden kann.

Auch auf diesem Weg bietet BLAutor seinen Mitgliedern die Möglichkeit, ein eigenes Werk auf dem Buchmarkt zu präsentieren.
Mit dem Kauf dieser beiden Anekdoten unterstützen sie die Arbeit unseres Arbeitskreises.
Und nun kommt noch ein Hinweis auf einen Adventskalender der besonderen Art:

Der Blindnerd-Adventskalender

Unser blindes Mitglied Gerhard ist blinder Hobbyastronom und das einzige blinde Mitglied der Deutschen Astronomischen Gesellschaft. Seit sieben Jahren führt er den Blog Blindnerd.de. In diesem Jahr widmet sich sein Adventskalender Frauen aus wissenschaft und Astronomie, denn Frauen sind in diesen Arbeitsfeldern bis heute unterrepräsentiert.
Der Blautor-Adventskalender und der Blindnerd-Adventskalender sind überkreuz verlinkt, so dass man von jedem aus zu den jeweiligen Türchen des anderen springen kann.
Mit
diesem Link gelangen Sie und ihr auf diesen etwas außergewöhnlichen Weihnachtskalender.